Das Auffanglager Friedland dient seit über 60 Jahren als Anlaufstelle für Flüchtlinge - zuerst für Vertriebene im Nachkriegsdeutschland, heute für Zuwanderer vor allem aus Osteuropa. „Tor zur Freiheit" wird das gut 1.300 Einwohner zählende Dorf in der Nähe von Göttingen dank dem Grenzdurchgangslager Friedland genannt.
Auffanglager für Hunderttausende Flüchtlinge: Vor über 60 Jahren waren Niedersachsen, Hessen und Thüringen keine Bundesländer, sondern britische, amerikanische und sowjetische Besatzungszone. Nach dem Krieg herrschte Chaos, die Menschen litten Hunger. Millionen Vertriebene und Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Gebieten wanderten Richtung Westen, riesige Flüchtlingsströme zogen durch das völlig zerstörte Land. Die Besatzer mussten handeln, um die Lage unter der Kontrolle zu halten. Der britische Militärkommandant befahl, ein Auffanglager zu errichten. Dafür wurde Friedland ausgewählt, ein Örtchen, das er als ideal für diesen Zweck betrachtete: Im Dorf gab es einen Bahnhof, eine gut ausgebaute Straße (die heutige Bundesstraße 27), und es gab leer stehende Schweine- und Pferdeställe der Universität Göttingen, die als Unterkunft für die Flüchtlinge verwendet werden konnten.
1945 – das Lager ist einsatzbereit: Die deutschen Kriegsgefangenen brauchten nur wenige Tage, um das Lager aus dem Boden zu stampfen. Am 26. September 1945 meldete der Militärkommandant: Das Lager ist einsatzbereit. Hunderttausende Vertriebene und Flüchtlinge kamen, viele zu Fuß, die meisten mit dem Zug. Bis Ende 1945 schleusten die Briten eine halbe Millionen Menschen durch das Lager für die Weiterreise in die Regionen Deutschlands - vor allem entlassene Kriegsgefangene und Vertriebene. Der Platz reichte bald nicht mehr, das Lager musste vergrößert werden. Die Kriegsgefangenen stellten britische Armeezelte auf, errichteten Holzbauten und Wellblechbaracken, die so genannten „Nissenhütten“. Die Ankömmlinge erhielten im Lager den wichtigen Registrierschein, der Voraussetzung für die neuen Papiere, Arbeit, Wohnung und Lebensmittelkarten war.
Friedland als „Tor zur Freiheit“: Zehn Jahre später erreichte Bundeskanzler Konrad Adenauer 1955 in Moskau die Freilassung der letzten 10.000 deutschen Kriegsgefangenen. Auch sie kamen zuerst nach Friedland. Der damalige Bundespräsident Theodor Heuss reiste persönlich zu den Heimkehrern, um sie zu begrüßen. Später kamen auch Flüchtlinge aus Ungarn, Vietnam und Chile nach Friedland. In dieser Zeit erwarb sich das Lager den Namen „Tor zur Freiheit". In den letzten Jahrzehnten kamen vor allem Aussiedler aus Osteuropa in das Grenzdurchgangslager, wie es heute noch immer heißt. Das Grenzdurchgangslager Friedland war auch für die meisten der 2,7 Millionen Deutsche aus Russland, Kasachstan, Kirgisien oder der Ukraine das Tor in die Freiheit und ein Inbegriff eines Neubeginns im Land ihrer Vorfahren. Die Geschichte von Friedland hat ebenso viele Gesichter, wie die Schicksale der Menschen und Familien, die hier nach Zeiten der Flucht, Verfolgung, Verbannung und Unterdrückung ihre erste Bleibe fanden.
Die Gedenkfeier der Landsmannschaft der Deutschen in Russland im Grenzdurchgangslager Friedland anlässlich des Vertreibungserlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion vom 28. August unter der Federführung des Landesverbandes Niedersachsen sind schon längst zur Tradition geworden. Nach einer Feierstunde mit zahlreichen Gästen aus Öffentlichkeit und Politik und einem musikalischen Rahmenprogramm werden Kränze an der Friedlandglocke, dem Wahrzeichen von Friedland, und am Mahnmal für Heimkehrer von 1955 niedergelegt. Auch ein Gottesdienst mit einer Totenehrung für Opfer der Vertreibung und der beiden totalitären Regimes, gehalten von Pastor Steinberg, gehört dazu.
15.000 Unterschriften gegen Friedland-Schließung: Das äußere Erscheinungsbild des Grenzdurchgangslagers hat sich mit den Jahren geändert. Ende 1993 wurde ein modernes Wirtschafts- und Sozialgebäude in Betrieb genommen. Heute ist das Lager die einzige Erstaufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen in Deutschland. Wie stark der Rückhalt der Einrichtung in der Bevölkerung ist, zeigt die Reaktion auf ein Vorhaben des Bundesinnenministers. Ende Juni 1999 kamen Pläne an die Öffentlichkeit, wonach von den damals sechs Erstaufnahmeeinrichtungen für Spätaussiedler vier komplett geschlossen werden sollten und Friedland nur noch als „Reservelager" erhalten bleiben sollte. Der Grund: Rückgang der Aussiedlerzahlen und Sparmaßnahmen der Bundesregierung. Die Mitarbeiter des Lagers, Bürger, Politiker und die örtliche Presse machten mobil und sammelten fast 15.000 Unterschriften gegen die Schließung. Der damalige Innenminister Otto Schily gab nach und beschloss, dass alle in Deutschland eintreffenden Spätaussiedler in Friedland registriert werden sollen. Zum 60. Jahrestag sagte Schily: „Friedland ist zum Symbol geworden für Hilfe aus dem Flüchtlingselend, für Nächstenliebe und tätige Hilfe."
Integrationszentrum für Spätaussiedler und Migranten: Seit Herbst 2006 ist Friedland auch ein Integrationszentrum. Wer in Deutschland einwandert, kann hier an vielfältigen Integrationskursen teilnehmen. Spätaussiedler, die einmal in Bayern, Niedersachsen oder auch in Rheinland-Pfalz leben werden, können freiwillig an einem neuen Intensivangebot im Grenzdurchgangslager Friedland teilnehmen. Es ist ihre Entscheidung, ob sie bereits wenige Tage nach ihrer Ankunft in die jeweiligen Bundesländer weiterziehen, oder aber sechs Monate im Integrationszentrum Friedland bleiben. Derzeit entschließen sich 23 Prozent aller Ankommenden für einen Integrationskurs. „Das Grenzdurchgangslager wird nicht geschlossen. Seine Zukunft liegt zum einen in der Integrationsarbeit von Neuankömmlingen und zum anderen im Museum", betonte Schünemann.
Zuwanderungsgeschichte als Erlebnismuseum: In den nächsten Jahren soll in Teilen des Lagers ein Erlebnismuseum entstehen, das an die mehr als vier Millionen Menschen erinnern solle, die dort nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen wurden. Das Friedländer Lager-Museum solle die breite und über 60-jährige Geschichte nicht nur durch Gegenstände darstellen, sondern durch „Erlebniswelten“ präsentieren. Die Schicksale der Menschen, die aus ganz anderen Kulturen hier angekommen und wie sie mit der Situation umgegangen sind – das soll dokumentiert und dargestellt werden. In Expositionen soll neben der Zuwanderungsgeschichte der vergangenen 60 Jahre auch über die Integrationspolitik der Gegenwart informiert werde.
Ein Vorbild für das neue Museum könnte das Auswanderer-Museum in Bremerhaven sein. Dort wird anhand von exemplarischen Einzelschicksalen die Lebenssituation von Menschen geschildert, die beispielsweise nach Amerika auswanderten, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. In die Planung sollen Fachleute und Politiker aus der Region sowie die in Friedland tätigen Kirchen, Verbände und Hilfsorganisationen in die Planungen einbezogen werden. Forscher der Universitäten Göttingen, Osnabrück und Oldenburg sollen das Projekt wissenschaftlich begleiten.
Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen als Bestandteil der deutschen Kulturnation und Schicksalsgemeinschaft präsentieren: Das Friedland-Museum wäre auch für die Deutschen aus Russland eine einmalige Chance, der breiten Öffentlichkeit sowohl die Geschichte der verschiedenen Siedlungsgebiete der Russlanddeutschen mit ihren wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Besonderheiten als auch Familiengeschichten und Einzelschicksale dort wie hier zu zeigen. So kann die Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen als integraler Bestandteil der deutschen Kulturnation und Schicksalsgemeinschaft präsentiert werden. „Wir wollen, dass ihre Kultur zur Erinnerungskultur unseres Landes gehört“, so der niedersächsiche Minister für Inneres und Sport, Uwe Schünemann, bei der zentralen Gedenkveranstaltung 2008 der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in Friedland mit Blick auf das geplante Museum.
Immer noch haben Deutsche aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in ihren Familienarchiven, ihren kleinen oder größeren Privatsammlungen wertvolle Zeitzeugendokumente und Gegenstände, die das zukünftige Museum bereichern könnten. Das Sammeln von Exponaten für ein Museum, das Aufsuchen von Zeitzeugen kann die Landsmannschaft durch ihre Monatszeitschrift „Volk auf dem Weg“, durch die Landes-, Kreis- und Ortsgruppen wirksam unterstützen.
Auch Wissenschaftler der Abteilung Göttingen des Instituts für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa (Nordost-Institut) mit ihren jahrelangen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Archiven und wissenschaftlichen Einrichtungen in der GUS bei der Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen können am Aufbau des zukünftigen Museum mitwirken. Sie haben bereits mehrere historisch-ethnographische Expeditionen in den ehemaligen und gegenwärtigen Siedlungsgebieten der Russlanddeutschen in Russland und in der Ukraine durchgeführt, dadurch konnten Expositionen zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen in mehreren staatlichen Museen aufgebaut werden.
Das Friedländer Lager-Museum solle die breite und über 60-jährige Geschichte nicht nur durch Gegenstände darstellen, sondern durch „Erlebniswelten“ präsentieren. Die Schicksale der Menschen, die aus ganz anderen Kulturen hier angekommen seien, und wie sie mit der Situation umgingen – das solle dokumentiert und dargestellt werden. Das Museum solle neben der Zuwanderungsgeschichte der vergangenen 60 Jahre auch über die Integrationspolitik der Gegenwart informieren. Wenn alles gut laufe, könnte das Museum 2013 eröffnet werden.
VadW (nach Zeitungs- und Onlineberichten).