Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. Landesgruppe Niedersachsen
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. Landesgruppe Niedersachsen 

"Zukunft braucht Vergangenheit" - zentrale Gedenkfeier in Friedland vom 31.08.2024

Bereits seit über zwei Jahrzehnten richtet die Landesgruppe Niedersachsen im Grenzdurchgangslager Friedland, einem symbolträchtigen Ort deutscher Nachkriegsgeschichte, die traditionelle zentrale Gedenkfeiert der LmDR aus. 

Auch dieses Jahr bildet keine Ausnahme: Am 31. August 2024 versammelten sich

zahlreiche Vertreter von Landsmannschaften, der Politik, von Partnerorganisationen der LmDR und Wohlfahrtsverbänden sowie viele Zeitzeugen im Speisesaal des Grenzdurchgangslagers Friedland, um sich gemeinsam der tragischen Geschichte der russlanddeutschen Volksgruppe zu erinnern.

Zum Auftakt der Gedenkveranstaltung trugen junge und ältere Mitglieder der Landesgruppe Niedersachsen Kerzen in den Saal, während die Friedlandglocke zur Erinnerung an die Opfer von Krieg, Terror und Vertreibung läutete.

Für den musikalischen Auftakt sorgten die junge Painistin Anna Borodina aus Osterrode am Harz, gefolgt von der traurigen "Ballade der Trudarmisten, vorgetragen von den beiden Chören "Klingeltal" aus Osterrode und "Heimatmelodie" aus Hannover. 

 

Anschließend bat Torsten-Wilhelm Wiegmann, Pastor der Inneren Mission, einer diakonischen Einrichtung der evangelischen Kirche, und Seelsorger im Grenz- durchgangslager Friedland, den himmlischen Vater in einem Gebet um Frieden in Freiheit, um die Bewahrung der Schöpfung sowie um Mut und Kraft, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten.

Hier und später gestalteten insgesamt fünf landsmannschaftliche Chöre den mu- sikalischen Rahmen der Gedenkfeier, außer den beiden bereits genannten der Wolfsburger Chor der Deutschen aus Russland, der Chor „Wolgawelle“ aus Osnabrück und der Chor „Melodie“ aus Gifhorn.


Erinnern an die Opfer von Flucht und Vertreibung

 

Zu den Schwerpunkten der Gedenkfeier gehörte die Erinnerung an den 220. Jahrestag der Veröffentlichung des Einladungsmanifests des russischen Zaren Alexander I.vom 20. Februar 1804, das den Beginn der Auswanderung von Deutschen in das Schwarzmeergebiet markierte. Rund 40 Jahre nach dem Manifest der Zarin Katharina der Großen, das zur Besiedlung des Wolgagebiets eingeladen hatte, folgten der Einladung vor allem Siedler aus Westpreußen, Württem- berg, Baden, dem Elsass und der Pfalz.

Lilli Bischoff, Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen und Mitglied des Bundesvorstands der LmDR, hieß alle Anwesenden willkommen und sprach ihren Dank für die Teilnahme und die damit erbrachte Wertschätzung der russlanddeut- schen Volksgruppe aus. Sie sagte:
 

„Unter dem Leitspruch ‚Zukunft braucht Vergangenheit‘ erinnern wir auch in diesem Jahr an die tragische Geschichte der Deutschen aus Russland, an die Diskriminierung, Verfolgung und Deportation unschuldiger Menschen, die in den Jahrzehnten des Stalinismus zu Opfern der Barbarei wurden. Hunderttausende von ihnen mussten die Diktatur mit dem Leben bezahlen.

Herausragendes Datum ist dabei der 28. August 1941, der Tag, auf den sich unsere zentrale Gedenkfeier alljährlich bezieht. An

diesem Tag wurde der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion ‚Über die Übersiedlung der Deutschen, die

in den Wolgarayons leben‘ veröffentlicht, der in markantester Weise für die Deportation der Deutschen in der Sowjetunion und ihren Weg ins Verderben steht.

Gewiss gibt es immer weniger Russlanddeutsche, die all das am eigenen Leib erleben mussten – aber ich kenne keine russlanddeutsche Familie, deren Vorfahren damals verschont wurden. Sie alle gingen entweder zugrunde oder waren bis an ihr Lebensende traumatisiert.“

 

Der Bundesvorsitzende der LmDR, Johann Thießen, schloss sich diesen Worten seiner Vorrednerin an und betonte, dass unzählige Deutsche in der Sowjetunion zu Opfern des Stalinismus wurden, unabhängig davon, was sie waren, dachten oder getan hatten. Und er betonte:
 

„Ich sehe es als meine Aufgabe und die meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter an, diese Menschen, die in ihren Familien schon mehr als genug gelitten haben, gegen pauschale Angriffe – aus welcher Ecke sie auch kommen! – vehement zu verteidigen.

Denn: Wer nie mit ungenügender Kleidung bei 40 Grad unter Null ums Überleben kämpfen musste wie unsere russlanddeutschen Vorfahren nach der Deportation in Sibirien, weiß nicht, was Kälte ist.

Und wer nie von einem Tag auf den ande- ren alles, was ihm lieb und teuer war, durch die Deportation und die Verbringung in die stalinistischen Zwangsarbeitslager verloren hat, weiß nicht wirklich, was das bedeutet.

Meine Landsleute aber wissen das, und sie werden sich niemals gegen den Staat wenden, der ihnen nach Jahrzehnten der Unterdrückung ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.“

 

Der politische Rückhalt

 

Wie schon in den vergangenen Jahren nahmen auch diesmal zahlreiche Politiker aus Niedersachsen an der Gedenkfeier teil, darunter:

 

  • Sebastian Lechner MdL, Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU in Nie- dersachsen
  • Ulrich Watermann MdL, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtags- fraktion
  • Veronika Bode MdL, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU;
  • Barbara Otte-Kinast MdL, Landesministerin a. D. und Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages (CDU)
  • Petra Rudszuck, stellvertretende Regi- onspräsidentin Hannover (SPD) 
  • Ebenfalls beteiligt war der stellvertretende Bundesvorsitzende der LmDR, Walter Gauks, Ansprechperson des Berliner Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene. 

 

 

Zu den weiteren Ehrengästen gehörten: 

  • Martin Schmidt, Leiter der Außenstelle Friedland des Bundesverwaltungsamtes
  • Klaus Bittner vom Niedersächsischen Innenministerium
  • Klaus Siems, Leiter des Grenzdurchgangslagers Friedland
  • Romina Kohn von der Niedersächsischen Staatskanzlei
  • Maria Hesse, Mitglied der Regionsversammlung Hannover
  • Joachim Hoy, Ortsbürgermeister von Friedland
  • Dr. Anna Haut, wissenschaftliche Leiterin des Museums Friedland
  • Dr. Wjahat Waraich, Bezirksbürgermeister des hannoverschen Stadtbezirks Bothfeld-Vahrenheide
  • Helene Schultheiß und Fülya Kurun vom Interkulturellen Dienst der Polizeidirektion Hannover
  • Till Warning und Dennis Kosobokov von der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU
  • Michael Gediga, Geschäftsführer des BdV-Landesverbandes Niedersachsen
  • Kurt Freitag, stellvertretender Landesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland
  • Artur Böpple und Eduard Heinrich vom Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland

 

Die niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens (SPD), dieim Februar 2024 die Schirmherrschaft über die Landesgruppe Niedersachsen der LmDR übernommen hat und auch als Schirmherrin der Gedenkfeier agierte, wandte sich mit einer Festrede an die Teilnehmer.

Sie sprach von der Verantwortung, die das Land Niedersachsen zur Bewältigung des besonderen Kriegsschicksals, unter dem die Deutschen aus Russland leiden mussten, übernommen habe. Diese Verantwortung werde bis heute gelebt und mit der Gedenkfeier zum Ausdruck gebracht. Denn das gemeinsame Erinnern sei ein wichtiger Teil der gemeinsamen Geschichte.

Vor dem Hintergrund des Krieges, der mitten in Europa tobt und täglich unschuldigen Menschen das Leben koste, und des Da- hinschwindens der echten Augenzeugen sei es wichtig, die Ursprünge und die Gescheh- nisse des Zweiten Weltkriegs weiter zu erzählen.

Und schließlich betonte die Ministerin, dass die Deutschen aus Russland mit über 400.000 die größte Einwanderungs- bzw. Aussiedlergruppe in Niedersachsen darstellten. 

 

Lobende Worte fand Heiko Schmelzle, stellvertretender Vorsitzender des BdV- Landesverbandes Niedersachsen und Vorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU Niedersachsen, der die Teilnehmer mit den Worten

„Liebe Landsleute" begrüßte. In seiner Rede legte er Wert auf die Feststellung, dass die Deutschen aus Russland in ihren Familien unter schwierigsen Bedingungen ihre deutsche Identität sowie Pflege der deutschen Sprache und Kultur über Generationen beibehalten haben. Diese Menschen, die heute als Aussiedler zu uns kommen, sollten auch einen Anspruch auf Anerkennung ihrer Berufe und ihrer professionellen Fähigkeiten und Kompetenzen in der neuen Heimat haben.

Weitere Grußworte überbrachten die oben erwähnten Sebastian Lechner, Ulrich Watermann und Petra Rudszuck.
 

Totenehrung und Kranzniederlegung

Zum Abschluss der Veranstaltung übernahm Helmut Kieß, Vorsitzender der Ortsgruppe Wolfsburg der LmDR, wie schon in den vergangenen Jahren, die Totenehrung:

 

„Wir gedenken heute des schwersten Tages der russlanddeutschen Geschichte, des 28. Augusts 1941, an dem die gesamte deutsche Volksgruppe in der Sowjetunion ihrer Heimat beraubt und in die Verbannung zur Zwangsarbeit geschickt wurde.

Wir gedenken der unzähligen Opfer des stalinistischen Terrors.

Wir gedenken unserer Großeltern, Eltern und Geschwister, Männer und Frauen, die in den Arbeitslagern durch schwerste Arbeit, Hunger und Erschöpfung zu Tode kamen.

Wir gedenken der Frauen und Kinder, denen menschenunwürdiges Leid angetan wurde.

Wir gedenken der unzähligen Opfer der 1930er Jahre, die ohne Schuld verhaftet und

erschossen wurden.“

 

Nach dem gemeinsamen Singen des Deutschlandliedes begaben sich die Teilnehmer traditionsgemäß zur Friedlandglocke, wo Blumenkränze niedergelegt wurden. Ein Teil der Besucher fuhr mit dem Bus zum Heimkehrerdenkmal auf dem Hagen- berg, um auch dort durch Niederlegung von Kränzen die Opfer des Terrors und der Vertreibung zu ehren. Im Anschluss fand der zweite, „inoffizielle“ Teil der Gedenkfeier statt. In angenehmer Runde konnte die zahlreichen Besucher ein eher lockeres Kulturprogramm genießen und hatten die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen.

 

Rosa Temkine, Mitglied des Vorstandes der Landesgruppe Niedersachsen

Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. Niedersachsen

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